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veröffentlicht am 27.09.2023
Engelplatz 69, 63897 Miltenberg, Deutschland
Besonders geeignet für:
Es ist ein sommerlicher Samstag an dem ich mich voller Vorfreude auf Miltenbergs Pflaster zum Engelplatz bewege. In Miltenberg herrscht ein reges Treiben – Gruppen von Touristen werden an diesem Nachmittag durch die Gassen geführt. Gleich bin auch ich mittendrin…
Ich bin verabredet an der Touristinformation (TI) mit Stadtführerin und “Weinerlebnis Franken - Gästeführerin” Suse Breitweg. Weil ich zu früh am Treffpunkt bin, schaue ich vorher noch einmal in die TI und werfe einen bewundernden Blick über die modernen Räumlichkeiten. Auf einer hell strahlenden Leinwand schmeichelt der Blick auf die liebliche Stadt am Main das Auge… und ich freue mich immer mehr auf den Beginn der bevorstehenden Führung.
Als eine junge Frau die TI betritt, werde ich hellhörig. Sie wartet mit ihrer Gruppe am Engelplatz auf den Beginn einer Stadtführung – das könnte meine Gruppe sein. Neugierig folge ich ihr nach draußen.
Dann begrüßt uns auch schon Stadtführerin Suse Breitweg. Nachdem alle mit einem „Umhängegeschirr“ und einem passenden Weinglas versorgt sind, steigen wir unvermittelt in die kulinarische Stadtführung „Stadt – Wein – Fluss“ ein. Am Engelplatz berichtet uns Suse von der Gründung Miltenbergs am Ende des 13. Jahrhunderts. Die Besiedlung war schwierig. An dieser Stelle war wenig Platz für eine Stadt, da der Main viel breiter als heute war und sehr nahe an den Schlossberg heran reichte. Außerdem gab es hier ständig Hochwasser. Dennoch, erklärt uns Suse, hat man aus gutem Grund an diesem Standort festgehalten.
Der Main war ab diesem Punkt, wo Miltenberg liegt, schiffbar, sodass Kaufleute hier entweder übersetzten oder sie konnten von hier ihre Waren über dem Main nach Frankfurt weiter transportieren lassen. Somit sicherte sich Miltenberg durch Zollabgaben, Handels- und Münzrechte sowie das „Stapelrecht“ viele Einnahmen, die allen Widrigkeiten zum Trotz zum Vorteil reichten.
Mit dem Stapelrecht hat es etwas Besonderes auf sich – es meint eine Mindestaufenthaltsdauer Durchreisender von 3 Nächten. Suse erklärt, dass dadurch durchreisende Händler viel Geld im Ort ausgegeben haben. Schließlich waren sie auf Übernachtungsgelegenheiten und Verpflegung angewiesen. So kam es auch, dass sich die regionalen Weine seit jeher bei den durchreisenden Händlern als Mitbringsel großer Beliebtheit erfreuten.
Und damit steigen wir in die erste Verköstigung ein. Suse greift in ihre Kühltasche. Und während sie die Flasche herumzeigt, erklärt sie, dass es sich um einen Rosé Secco des Winzers Josef Walter handelt. Dieser ist aus Spätburgunder Trauben gepresst.
Als jedes Glas gefüllt ist, führt Suse uns schrittweise an den Genuss heran. Zunächst betrachten wir die fein perlende Flüssigkeit und nehmen dann den Geruch auf. Der erste Schluck wird schnell über die Zunge durch den Gaumen befördert, damit ein erster übergreifender Eindruck gewonnen wird. Suse reicht uns Baguette und Wasser dazu. Nebenbei hört sie interessiert, was die Gruppe für Nuancen herausschmecken kann. Das war ein wohlschmeckender prickelnder Einstieg in die Verköstigung, wie alle einvernehmlich finden.
Und so führt uns Suse weiter durch Miltenbergs Wein- und Stadtgeschichte. Im Vorbeigehen erhaschen wir einen Blick auf das Wamser Tor, welches zur historischen Stadtbefestigung gehört, und gelangen dann an den Jüdischen Friedhof. Hier sind wir mittendrin, umgeben von altem Gemäuer, und lauschen Erzählungen über die jüdische Kultur und wie es dazu gekommen ist, dass die Straßenführung über diesen Friedhof gelegt wurde. Einzelne Gräber wurden so von der Straße überbaut, dass sie heute noch zugänglich sind, wie man von unserem Standort aus erahnen kann.
Durch verwinkelte Gassen führt sie uns vorbei an einer privaten Synagoge und erklärt uns, dass der Ausdruck des „schiefen Haussegens“ in der jüdischen Kultur seinen Ursprung hat. Mit dem „Haussegen“ ist ein Stück der Tora gemeint, das bei jüdischen Häusern schräg im Eingangsbereich integriert ist.
Am „Gasthaus Riesen“ angelangt, staunt die Gruppe über den Anblick der ältesten Fürstenherberge Deutschlands. Suse vermittelt uns, wie sich der Baustil des Hauses über die vielen Jahrhunderte gewandelt hatte und warum der Riese anders als die umgebenden Häuser mitten auf der Gasse steht. Auch auf den vermeintlichen „Davidstern“ am Wirtshausschild geht sie ein. Ursprünglich konnten Gäste des Riesen mit der Kutsche direkt in das Gasthaus hineinfahren. Und nur denjenigen Wirtshäusern war es erlaubt einen „Braustern“ zu führen, die ihr hauseigenes Bier brauten.
Schon schreiten wir weiter mit großen Schritten durch die bewegte Miltenberger Zeitgeschichte: In den Jahren von 1803 bis 1816 ging die Stadt spannenderweise vom Leiningischen ins Badische, über das Hessische in das Bayerische über – dem es heute noch angehört.
Am Staffelbrunnen in einem Seitenwinkel der Hauptstraße haben wir einen frischen spritzigen Müller Thurgau des Weinguts Stich verkostet. Zusammen mit 12 weiteren Weingütern hat sich dieses zu der Winzervereinigung Frank & Frei zusammengeschlossen – einer Qualitätsinitiative für den Müller Thurgau.
Und dann geht Suse auf das fränkische Weinanbaugebiet und die verschiedenen Weinlagen ein. Dabei nutzt sie einen blauen Faden um den Verlauf des Mainflusses auf dem Boden zu veranschaulichen.
Frankens Weine, lernen wir, sind so vielseitig, wie seine Böden: Drei unterschiedliche Sedimentschichten sind hier charakteristisch – da ist der Muschelkalk im Bereich Würzburg, Keuper im Bereich Steigerwald und der Buntsandstein im westlichen Mainviereck. Von allen drei Arten hat sie symbolische Exemplare dabei, die am „Mainverlauf“ auf dem Boden platziert werden.
Begleitet von weiteren Anekdoten geht es am Alten Rathaus vorbei zum Schnatterloch im malerischen Schwarzviertel. Es herrscht eine ausgelassene Stimmung in der Gruppe. Da holt Suse einen klassischen Roten, den Spätburgunder vom Miltenberger Weingut Knapp, hervor. Und sie weiß auch pikante Themen anzusprechen. Beispielsweise gelten die Miltenberger landläufig als „Staffelbrunser“, denen sogar ein eigener Brunnen gewidmet ist.
Am Mainufer endet die Führung mit herrlichem Blick und einem vierten letzten kräftigen Wein – einem Neuberger Frühburgunder vom Bürgstadter Centgrafenberg, zu dem ein deftiges Knusperbrot gereicht wurde. Hier schließt Suse mit der Geschichte des Frühburgunders, der einst an der „Börschetor Martinskerb“ (Bürgstadter Kirmes) zur Martinsgans als vergorener Traubenmost ausgeschenkt und spätestens bis Weihnachten aufgebraucht wurde. Nur durch Zufall wurde die Wertigkeit eines zwei Jahre gelagerten und gereiften Frühburgunders entdeckt. Was damit das Hotel Weinhaus Stern in Bürgstadt zu tun hat, das kann Euch Suse einmal selbst bei einer ihrer Führungen berichten.
– Meine Empfehlung: Lasst Euch das nicht entgehen!
Tourismusverband Spessart Mainland e.V.
Ansprechpartner
Industriering 7, 63868 Großwallstadt, Deutschland
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